Verkehrsprobleme in Schleußig

Viele Autos, keine Parkplätze und kein Plan

In der Schleußiger Bethanienkirche fand am 04.12.2013 eine Bürgerversammlung zu den Verkehrs- und Parkplatzproblemen in Schleußig statt. Dazu hatten der Verein Pro-Parkplatz Schleußig und die Stadtratsfraktion Bündnis90/Grüne eingeladen. Gekommen waren viele Bewohner Schleußigs und eine große Zahl von Vertretern der Stadtverwaltung sowie einige Stadträte.

Die Bürgerversammlung war gut organisiert und und die Vertreter von „Pro-Parkplatz“ sind dort sehr angenehm unaufgeregt und sachlich aufgetreten. Was man von einem Teil der Versammlungsteilnehmer nicht gerade sagen kann.

Neue Argumente waren allerdings nicht zu hören – sowohl die Stadtverwaltung als auch diejenigen, die alles so lassen wollen wie es ist, beharrten auf ihren jeweiligen Standpunkten und konnten doch keine überzeugenden Lösungen präsentieren.

Die Verfechter des Status-Quo können einfach nicht verstehen, dass ein Fußweg, auf dem im Minutentakt Autos fahren, nicht nur eine Gefahr für Kinder und Ältere ist (auch wenn es noch nicht zu einem Unfall gekommen ist), sondern ganz massiv die Lebensqualität beeinträchtigt. Es ist eben nicht einfach möglich, auf dem Fußweg zu stehen, zu quatschen, zu spielen, das Fahrrad zu reparieren, ein Fest zu feiern, oder was man sonst noch auf einem Fußweg so machen könnte. Die (Fahr-)Straße fängt direkt hinter der Haustür an. Und bei offenem Fenster bläst einem der warmlaufende Diesel des Parkenden direkt die Rußwolke ins Wohnzimmer. Ein Grund, warum es noch keine Unfälle gab ist sicherlich, dass die Benutzung eben einfach vermieden wird. Man geht woanders hin. So stellen wir uns einen angenehmen Stadtteil eigentlich nicht vor, oder?

Gleichzeitig ist die Argumentation „wenn irgendetwas an der jetzigen Situation geändert wird, könnte das für mich persönlich Nachteile bedeuten, deshalb muss alles bleiben wie es ist“ mehr als fragwürdig.

Die Stadt handelt planlos. Die Maßnahmen sind in ihrer Summe und selbst unter Berücksichtigung weiterer dort verkündeter Maßnahmen ungeeignet, das Problem zu lösen. Da helfen auch keine langen Erläuterungen – für das Grundproblem gibt es noch nicht einmal im Ansatz eine Idee.

Thesen

  1. Es gibt in Schleußig Autos, und die werden (zumindest kurzfristig) auch nicht verschwinden.
  2. Für die in Schleußig vorhandenen Autos gibt es keine ausreichende Anzahl von Stellplätzen. Selbst wenn man durch irgendeinen Voodoo-Zauber 10% der Bewohner überzeugen könnte, auf die LVB umzusteigen und hunderte neuer Plätze in Hoch- und Tiefgaragen schaffen würde: Es reicht einfach nicht. Es reicht nicht ohne Autos auf dem Fußweg und nicht mit ihnen.
  3. Jeder hat das Recht ein Auto zu haben. Aber niemand hat einen Anspruch darauf, es direkt unter seinem Toilettenfenster zu parken. Und niemand hat einen Anspruch darauf, das auch noch kostenlos zu tun. Das Argument, dass Autofahrer über die verschiedenen Steuern schon genug bezahlen stimmt nicht. Und selbst wenn es richtig wäre, würde es nicht helfen, das Problem zu lösen.
  4. Der Bau von Parkhäusern oder Tiefgaragen in Schleußig ist, wie von Seiten der Stadt vorgetragen, wirtschaftlich nicht umsetzbar. Es wird niemand bauen, weil es sich nicht rechnet. Es rechnet sich nicht, weil nur wenige bereit und in der Lage wären, 100 EUR pro Monat für einen Platz zu bezahlen. Und die Stadt kann es nicht bauen, weil sie kein Geld hat. Die Idee braucht man wahrscheinlich nicht weiter zu verfolgen.

Folgerungen

  1. Da es in (Kern-)Schleußig so oder so zuwenige Parkplätze gibt, muss man nach Lösungen suchen, außerhalb Parkraum zu schaffen. Hier muss man mal „out of the box“ denken. „Ich will es aber so“ hilft wenig. Wenn wir 1000 Parkplätze brauchen (hypothetische Zahl, vielleicht hat die Stadt eine gültige) und westlich der Kö gibt es nur 500, dann müssen irgendwo anders die fehlenden Plätze her.
  2. Andererseits sollte man natürlich alle Möglichkeiten ausschöpfen.Wenn z.B. das PARKEN auf dem Fußweg möglich wäre, ohne darauf zu FAHREN, könnte der Vorschlag einer Abtrennung des Parkraumes von ausreichend breiten Fußwegen mit einer weißen Linie ja funktionieren. Man könnte überlegen, ob es möglich wäre, alle 10-20 m einen Bordstein abzusenken und eine Zufahrt einzurichten, so dass die Autos einen Parkplatz erreichen können. Es wäre auszurechnen, wieviele Parkplätze man dadurch gewinnt.Auch über den Garagenhof an der Oeser-/Holbeinstraße kann man sicherlich nachdenken – ein offener oder ggf. überdachter Parkplatz nimmt mehr Autos auf als Garagen. Muss man rechnen.Man könnte auch den NETTO-Parkplatz (gegen eine geringe Gebühr?) zwischen 20:00 Uhr und 7:00  Uhr für Anwohner freigeben.
  3. Da der Parkraum ein „knappes Gut“ ist, reguliert das der Markt normalerweise über den Preis. Es ist aber recht unsozial, wenn es unreguliert ohne entsprechende Alternativen und ohne Berücksichtigung individueller Bedürfnisse (z.B. Körperbehinderung) dem Markt überlassen wird. Allerdings kann und soll man solche Mechanismen auch nicht völlig außer Acht lassen. Für jeden sollte es die Möglichkeit geben zu parken, je bequemer und näher der Parkplatz ist, desto teurer wird er halt.
  4. Eine Idee wäre z.B. analog von „Park-and-Ride“-Plätzen Parkplätze in unmittelbarer Nähe von LVB-Haltestellen zu schaffen. Die Gebühr für den Stellplatz könnte eine entsprechende Fahrkarte beinhalten, so dass man trocken nach Hause kommt. Nicht optimal, aber eine denkbare Löung, wenn die Fahrzeit <10 Minuten beträgt.
  5. Wenn es genügend Optionen gibt (und erst dann) kann man sich Gedanken darüber machen, eine Bewirtschaftung einzuführen. Die Kosten ließen sich staffeln. Ein garantierter Stellplatz wäre wahrscheinlich deutlich teurer als ein optionaler. Der P&R-Platz wäre nochmal günstiger. Da kann man sicherlich kreative Modelle entwickeln. Auch eine zeitabhängige Berechnung käme in Frage. Abends ist es teurer. Wenn ich im Urlaub bin, muss ich ja nicht den knappen Platz vor der Tür blockieren. Dann bekomme ich die Zeit ggf. erstattet oder nicht berechnet.
  6. Langfristig müssen Verkehrskonzepte gefördert werden, die es mehr Bewohnern ermöglichen, auf ein eigenes Auto zu verzichten. Durch die ständig steigenden Preise der LVB wird das Gegenteil erreicht! Ein fahrscheinloser Nahverkehr, wie von den PIRATEN gefordert, würde die Zahl der Umsteiger deutlich erhöhen und so für alle Gründerzeitviertel eine Entlastung bringen.

Das sind ein paar der Ideen, die man verfolgen könnte. Wichtig ist, die Stadt dazu zu bewegen, einen wirklich konstruktiven Dialog zu führen. Dialog heißt nicht Infoveranstaltung, so wie am 4.12. und in der Vergangenheit. Konstruktiver Dialog könnte heißen, eine Art Arbeitsgruppe aus Verwaltung und interessierten Bürgern zu gründen, die das Problem angeht. Und zum konstruktiven Dialog gehört auch die Zusage, dass dort erarbeitete Lösungen tatsächlich umgesetzt werden und nicht wie bei dem „Bürgerwettbewerb“ in der Schublade verschwinden. Mit Frau Dubrau könnte das möglich sein. Und wenn in der Arbeitsgruppe auch wirklich gearbeitet wird, werden höchstwahrscheinlich die „Lautsprecher“ wegbleiben.

Weitere Informationen:

Präsentation der Ergebnisse für den Bürgerworkshop (pdf, 1.3 MB) http://www.leipzig.de/umwelt-und-verkehr/verkehrsplanung/?eID=dam_frontend_push&docID=21387

LVZ-Artikel zur Bürgerversammlung: http://www.lvz-online.de/leipzig/citynews/buergerforum-in-schleussig-knoellchen-fuers-gehweg-parken–einbahnstrassen-auf-dem-pruefstand/r-citynews-a-217804.html

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